Prof. Dr. Dirk Heckmann
Lehrstuhl für Recht und Sicherheit der Digitalisierung
Department of Governance
Facts:
- Lieblingsbuch: Neue Gedichte von Rainer Maria Rilke
- wichtiger Gegenstand: Alles, worüber man Musik gut hören kann
- seit Oktober 2019 an der TUM
Interview
1. Wer sind Sie und was machen Sie an der SOT?
Ich bin ein interdisziplinär forschender Rechtswissenschaftler und nebenamtlicher Verfassungsrichter. An der SOT bin ich Inhaber des Lehrstuhls für Recht und Sicherheit der Digitalisierung. Außerdem habe ich dort gemeinsam mit Sarah Rachut das TUM Center for Digital Public Services (CDPS) gegründet, eine Forschungseinrichtung, die neben der Grundlagenforschung auch konkrete Digitalisierungsprojekte im öffentlichen Sektor unterstützt.
2. Was sind Ihre Forschungsfelder und was fasziniert Sie an diesen?
Mein Forschungsgebiet ist die Digitale Transformation vieler Lebensbereiche, vor allem in der öffentlichen Verwaltung, der Bildung und im Gesundheitswesen. Mich fasziniert, hier Zeuge der größten gesellschaftsverändernden Umwälzung der Geschichte zu sein, die von Menschen gestaltet wird, und mehr noch: dass ich das Privileg habe, einen Teil der damit verbundenen Veränderungsprozesse in rechtlicher Hinsicht mitgestalten zu dürfen.
3. Was sind die aktuell wichtigen Themenbereiche in Ihrer Forschung? Wie haben sich diese in den letzten Jahren verändert und haben Sie eine Idee, wie sich diese in den nächsten zwei Jahren verändern werden?
Aktuell befassen sich mein Lehrstuhl und das CDPS sowie das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt), an dem ich ebenfalls mitwirken darf, ganz besonders mit den Auswirkungen generativer Künstlicher Intelligenz (also ChatGPT & Co.). Zwar gibt es KI schon seit 50 Jahren, aber was das Unternehmen OpenAI breiten Teilen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Ende 2022 zugänglich gemacht hat, stellt alles in den Schatten. Die Qualität der maschinellen, automatisierten Erstellung von Texten, von Bildern, Tonaufnahmen und Videos oder Programmcode schafft vielfältige neue Anwendungen, aber auch Risiken, denen nun das Recht begegnen muss. In zwei Jahren werden viele Arbeitsprozesse ersetzt sein, werden wir Bildung neu buchstabieren müssen und, vielleicht: steht der demokratische Rechtsstaat auf der Kippe. Wir haben heute die Chance, generative KI in eine Richtung zu lenken, die einen Mehrwert für die Gesellschaft bringt und das Gemeinwohl fördert.
4. Wie sind Sie dazu gekommen, Professor zu werden und warum an der TUM?
Nachdem sich mein Wunsch, Konzertpianist oder Filmmusikkomponist zu werden, nicht realisieren ließ, studierte ich Jura. Das Studium fand ich sehr spannend, die konventionellen juristischen Berufe hingegen nicht so attraktiv. Also blieb ich nach dem zweiten Staatsexamen an der Universität, promovierte, habilitierte und erhielt mit 35 Jahren einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Passau. Weil sich Mitte der 90er Jahre das Internet in Deutschland etablierte, entdeckte ich für mich das Internetrecht (und die ihm innewohnende Möglichkeit zur Orchestrierung des Rechts im Kontext von Technik, Ethik und Sozialwissenschaften) als große Leidenschaft und widmete meinen Lehrstuhl um. 23 Jahre später wurde ich an die TU München berufen, um dort das Recht der Digitalisierung in der interdisziplinären Forschung zu stärken und auszubauen. Für mich erfüllte sich damit 2019 ein Lebenstraum, sind die schöpferischen Möglichkeiten für wissenschaftliche Projekte im Kollegenkreis dieser exzellenten Universität doch schier grenzenlos.
5. Was kann ein Studium heute leisten und warum sollten Menschen bei Ihnen studieren?
Am Beispiel generativer KI erklärt: Diese mag Texte erschaffen und auch Kontexte erschließen – die unvermeidlichen Fehler maschinellen Lernens entdeckt und korrigiert man aber nur, wenn man viel von der Materie versteht. Rechtswissenschaft hat unter anderem künftig die Aufgabe der Qualitätssicherung und kritischen Reflektion dessen, was in rechtlichen Kontexten automatisiert um uns geschieht. Deshalb verbieten wir auch ChatGPT weder im Studium noch in der Prüfung, sondern lehren den richtigen Umgang damit. Dass dies wiederum neue didaktische Konzepte erfordert, macht unseren Studienalltag gerade besonders spannend. Wer bei uns studiert, schaut weit nach vorne.
6. Von wem haben Sie in Ihrem Leben am meisten gelernt?
Ohne Zweifel: von meinem akademischen Lehrer, Thomas Würtenberger, an den Universitäten Trier und Freiburg i.Br. Ich hatte das große Privileg, fast 10 Jahre sein wissenschaftlicher Assistent zu sein. Ohne ihn stünde ich nicht da, wo ich heute bin.
7. Gibt es etwas, was Sie schon immer mal ausprobieren wollten und wozu Sie noch nicht gekommen sind? Wenn ja, woran lag es, dass Sie noch nicht dazu gekommen sind?
Ich plane seit langem, einen Lyrikband zu veröffentlichen. Gedichte schreibe ich seit meinem 16. Lebensjahr, mittlerweile genug für ein schönes Büchlein. Was mir fehlt, ist die Muße, mich über die Sammlung der Gedichte hinaus mit einem „roten Faden“ zu befassen und mich um die Illustrationen zu kümmern. Das möchte ich 2024 endlich angehen.
8. Mit welchem Satz würde Ihre Biografie beginnen?
„Eigentlich wollte er Musik zu seinem Beruf machen. Dann aber wurde das Internetrecht zu seiner Sinfonie.“
9. Wie könnte Ihr Alltag ohne Arbeit aussehen?
Klavier spielen, mit meinem Hund spazieren gehen und Freunde zu guten Gesprächen und kulinarischen Genüssen treffen. Außerdem gibt es noch viele schöne Orte auf der Welt, an die ich gerne reisen möchte. Insgesamt natürlich: mehr Zeit für die und mit der Familie.
10. Gibt es einen Gegenstand, den Sie in Ihrem Leben nicht missen möchten? Wenn ja, welchen und warum?
Nicht einen, aber eine bestimmte Kategorie: Alles, worüber man Musik gut hören kann. Ein Leben ohne Musik ist für mich unvorstellbar. Sie entspannt, inspiriert und beseelt mich.
11. Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum können Sie es empfehlen?
Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte (1907). Seine Lyrik hat mich inspiriert und mir die Schönheit der (deutschen) Sprache nähergebracht. Davon profitiere ich auch beruflich.