Prof. Dr. Janina Steinert
Professur für Global Health
Department of Governance
Facts:
- Lieblingsbuch: Unsichtbare Frauen von Caroline Criado Pérez
- wichtiger Gegenstand: Mein Rennrad
- seit März 2020 an der TUM
Interview
1. Wer sind Sie und was machen Sie an der SOT?
Ich bin seit Frühling 2020 Professorin für Global Health am Governance Department der SOT. Meinen PhD habe ich an der University of Oxford absolviert und war danach noch für 1,5 Jahre an der Universität Göttingen als PostDoc am Lehrstuhl für Entwicklungsökonomie.
2. Was sind Ihre Forschungsfelder und was fasziniert Sie an diesen?
Meine Forschung ist stark interdisziplinär ausgerichtet, aber lässt sich aber am besten den beiden Forschungsbereichen „Global Health“ und „Development Economics“ zuordnen. In den meisten Forschungsprojekten arbeite ich mit Primärdaten, die ich vorrangig in Ländern des globalen Südens erhebe. Die meisten meiner aktuellen Projekte beschäftigen sich Gewalt an Frauen. In einem von der EU geförderten Forschungsprojekt untersuche ich beispielsweise die Häufigkeit und Risikofaktoren von ökonomischer Gewalt gegen Frauen in Indien und entwickle gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen ein Präventionsprogramm, dessen Wirkung ich anschließend in einer großen experimentellen Feldstudie evaluiere. In einem anderen Projekt untersuchen Kolleg*innen und ich Formen von Online-Misogynie, denen Politikerinnen Aktivistinnen und Journalistinnen ausgesetzt sind und versuchen dabei besser zu verstehen, wie sich diese Art der Gewalt auf die politische Repräsentation von Frauen sowie demokratische Werte in verschiedenen Ländern auswirken kann. Darüber hinaus interessiere ich mich auch für übergeordnete, metawissenschaftliche Themen. Zum Beispiel die Frage, wie diese Art von Forschung sowohl für die Studienteilnehmer*innen als auch für die Forschenden selbst möglichst ethisch und sicher gestaltet werden kann und wie große Feldstudien in Ländern des globalen Südens „dekoloniale“ und gleichberechtigte Kooperationsstrukturen aufbauen können.
3. Wie sind Sie dazu gekommen, Professorin zu werden und warum an der TUM?
Mich faszinieren schon seit langem Fragestellungen, die sich mit gesundheitlichen sowie sozioökonomischen gesellschaftlichen Herausforderungen befassen. Als Wissenschaftlerin und Professorin habe ich die Möglichkeit, mich durch meine Forschung intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen, jeden Tag etwas Neues zu lernen und im Idealfall noch mögliche Lösungsansätze zu erarbeiten. Im deutschen Wissenschaftssystem ist eine akademische Karriere leider nur schwer planbar und ich hatte mich schon darauf eingestellt, vielleicht mein Leben lang zwischen verschiedenen deutschen oder europäischen Städten pendeln zu müssen und eine treue Kundin der Deutschen Bahn zu werden. Dass an der TUM eine Professur für Global Health ausgeschrieben war - und dann auch noch explizit nicht an der Medizinischen, sondern an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät - war für mich ein sehr großes Glück und damals in Deutschland fast einmalig, denn Global Health hat sich hier erst in den letzten Jahren als eigenständige Disziplin etabliert, während dies im angloamerikanischen Raum schon weiter verbreitet war.
4. Was kann ein Studium heute leisten und warum sollten Menschen bei Ihnen studieren?
Das Politics & Technology-Studium an der TUM bietet den Studierenden viele Freiheiten und eigene Gestaltungsmöglichkeiten, so dass sie für sich ein eigenes Profil an der Schnittstelle von Gesellschaft und Technik entwickeln können. Das grenzt sie dann auch auf dem Arbeitsmarkt von anderen Bewerber*innen ab, die ein „klassischeres“ sozialwissenschaftliches Studium absolviert haben. An meinen Lehrveranstaltungen sollten Studierenden teilnehmen, die sich für die Themen Gesundheit, internationale Entwicklung und Geschlechtergerechtigkeit interessieren. Ich habe oft eine sehr internationale Kohorte von Studierenden, was mir große Freude bereitet, da ich durch sie oft sehr interessante Einblicke in die gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen ihrer Länder erhalte und die unterschiedlichen Perspektiven und Vorerfahrungen die Diskussionen, die wir im Seminar führen, sehr bereichern.
5. Sie sprechen 4 Sprachen. Gibt es noch eine weitere Sprache, die Sie gerne lernen möchten?
In meinem letzten Italienurlaub musste ich leider realisieren, wie eingerostet mein Italienisch inzwischen ist. Das würde ich gerne wieder etwas auffrischen. Zudem wäre es für meine Forschung in Indien natürlich sehr von Nutzen, wenn ich Hindi sprechen könnte.
6. Gibt es einen Gegenstand, den Sie in Ihrem Leben nicht missen möchten? Wenn ja, welchen und warum?
Mein Rennrad, weil es mir erlaubt, das wunderschöne Münchner Umland mit seinen Seen und Bergen auszukosten. So kann ich von der hohen Lebensqualität der Stadt profitieren und mich mit ihren hohen Mietpreisen etwas versöhnen.
7. Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum können Sie es empfehlen?
Ich habe viele Lieblingsbücher, aber "Unsichtbare Frauen: " von Caroline Criado Pérez ist ein Buch, das ich immer gerne weiterempfehle und daher auch auf die Leseliste meines „Gender Disparities“-Seminars gesetzt habe. In ihrem Buch beschreibt Pérez wie Datengrundlagen und Designs oft die Bedürfnisse und Erfahrungen von Frauen übersehen und wie dies zu systematischen geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in verschiedenen Lebensbereichen führen kann, von der Gesundheitsversorgung bis hin zu Technologie und KI. Pérez veranschaulicht dies unter anderem am Beispiel von Herzinfarkten. Während Männer häufiger einen Herzinfarkt erleiden, ist die Wahrscheinlichkeit, nach einem Herzinfarkt zu sterben, für Frauen deutlich höher. Ein Grund dafür ist, dass Frauen oft nicht die „typischen“ – eigentlich männerspezifischen – Symptome aufzeigen und Herzinfarkte bei ihnen daher häufiger nicht erkannt und behandelt werden.