
Prof. Dr. Eveline Wittmann
Professur für Berufspädagogik
Department of Educational Sciences
Facts:
- Lieblingsbuch: Die Furcht vor der Freiheit von Erich Fromm
- wichtiger Gegenstand: Ich hänge sehr wenig an Dingen
- seit März 2015 an der TUM
Interview
1. Wer sind Sie und was machen Sie an der SOT?
Ich bin Berufsbildungsforscherin und erforsche an der SOT, wie sich Anforderungen an berufliche Bildung im Kontext der digitalen Transformation wandeln.
2. Was sind Ihre Forschungsfelder und was fasziniert Sie an diesen?
Die digitale Transformation verändert unsere Welt fundamental. Als Anwendende sind die Veränderungen für uns aber oft wenig sichtbar, mit der Folge, dass wir Chancen nicht nutzen, die in der Digitalisierung liegen, aber auch Freiheitsrechte wie das der Privatheit unbedarft aufgeben. Mein Team und ich erforschen, wie es gelingen kann, so etwas Abstraktes wie die digitale Veränderung unserer Welt durch Daten in ihren Zusammenhängen zu vermitteln, Stichwort Digitale Souveränität. Darüber erforschen wir, wie neue Kompetenzen wie berufsübergreifende Zusammenarbeit und Problemlösen gefördert werden können und wie sich Schulorganisationen verändern können, um dem digitalen Wandel gerecht zu werden. Für mich liegt der besondere Reiz in der Interdisziplinarität der Thematiken.
3. Was sind die aktuell wichtigen Themenbereiche in Ihrer Forschung? Wie haben sich diese in den letzten Jahren verändert und haben Sie eine Idee, wie sich diese in den nächsten zwei Jahren verändern werden?
Wir untersuchen, wie sich durch gezielte Maßnahmen Konsequenzen der digitalen Veränderung verdeutlichen lassen, z.B. Folgen unzureichender Datenqualität oder mangelnden Datenschutzes, oder auch Erweiterungen und Bedrohungen von Freiheit und Sicherheit in der digitalen Transformation. Dazu nutzen wir die von uns in den vergangenen zwei Jahren entwickelten beruflichen „Spaces“ der digitalen Transformation in unserem Digitallabor zu Industrie 4.0, Gesundheit 4.0, Smart Home und Gastronomie, in denen wir handlungsorientierte Lehr-Lern-Arrangements umsetzen. Wir erleben hier eine erhebliche Nachfrage von Lehrkräften, die sehr gerne mit Schulklassen zu uns kämen.
Außerdem erforschen wir seit längerem, wie sich Kompetenzen von Pflegekräften und anderen Fachkräften empirisch modellieren, erfassen und fördern lassen, auch neue Kompetenzen wie die zur multiprofessionellen bzw. berufsübergreifenden Kooperation. Hier ist in der jüngeren Zeit hinzugekommen, dass wir digitalisierte Umgebungen systematisch einbeziehen, wie z.B. KI-gestützte Umgebungen.
Schließlich erforschen wir in einem Verbundprojekt mit der LMU, wie wir Schulen dabei unterstützen können, für die digitale Veränderung die nötigen Organisations- und Kooperationskapazitäten zu entwickeln.
In den kommenden zwei Jahren erwarte ich, dass die Zusammenarbeit mit externen Partnern wie Kammern und berufsständischen Organisationen, die wir bereits sehr aktiv betreiben, im Zusammenhang mit der Digitalisierung weiter an Bedeutung gewinnen wird. Sie sind für eine nachhaltige Digitalisierung in der Berufsausbildung für den Mittelstand zentrale Multiplikatoren.
4. Wie sind Sie dazu gekommen, Professorin zu werden und warum an der TUM?
Ich empfinde es als Privileg, den Erwerb und die Entwicklung von Wissen als Beruf zu haben. Die TUM ist dabei der Ort, an dem es wie an keinem anderen Ort möglich ist, einen Beitrag zur Gestaltung der digitalen Transformation zu leisten, z.B. durch die Qualifizierung des Lehr- und Ausbildungspersonals für die Berufsausbildung. Das hat mich motiviert, an die TUM zu kommen.
5. Was kann ein Studium heute leisten und warum sollten Menschen bei Ihnen studieren?
Ob digitale Technologie wie generative AI die richtigen Antworten gibt, hängt davon ab, dass man ihr die richtigen Fragen stellt und diese im Hinblick auf ihre Angemessenheit im Kontext überprüft. Überblicks- und Zusammenhangswissen und theoretische Modelle über soziale Kontexte werden in einer schnellen Veränderung wie der Digitalisierung daher bedeutsamer.
6. Von wem haben Sie in Ihrem Leben am meisten gelernt?
Von meiner akademischen Mentorin Eugenie Samier.
7. Gibt es etwas, was Sie schon immer mal ausprobieren wollten und wozu Sie noch nicht gekommen sind? Wenn ja, woran lag es, dass Sie noch nicht dazu gekommen sind?
Einen Science Fiction-Roman schreiben. Patagonien bereisen. Den Transcanada Highway fahren. Dazu fehlt mir bislang die Zeit.
8. Mit welchem Satz würde Ihre Biografie beginnen?
Gar nicht.
9. Wie könnte Ihr Alltag ohne Arbeit aussehen?
Ich säße täglich an meinem Science Fiction-Roman, würde mir ein Haustier zulegen. Und hätte mehr Zeit für mein Kind.
10. Gibt es einen Gegenstand, den Sie in Ihrem Leben nicht missen möchten? Wenn ja, welchen und warum?
Ich hänge sehr wenig an Dingen.
11. Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum können Sie es empfehlen?
Gegenwärtig „Die Furcht vor der Freiheit“ von Erich Fromm. Das Buch geht der Frage danach, was Menschen dazu bringt, Freiheit aufzugeben und sich autoritären Ideologien zu unterwerfen. In der digitalen Veränderung ist die Frage aktueller denn je.