
Prof. Dr. Andreas Vorholzer
Professur für Didaktik der Physik
Department of Educational Sciences
Facts:
- Lieblingsbuch: Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann
- wichtiger Gegenstand: Eigentlich nicht. Höchstens vielleicht mein Smartphone.
- seit Oktober 2021 an der TUM
Interview
1. Wer sind Sie und was machen Sie an der SOT?
Ich bin Andreas Vorholzer und an der SOT der Professor für Didaktik der Physik. Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit ist die fachdidaktische Ausbildung von zukünftigen Lehrkräften für das Unterrichtsfach Physik. Darüber hinaus forsche ich zum Lehren und Lernen von Physik.
2. Was sind Ihre Forschungsfelder und was fasziniert Sie an diesen?
Ein Schwerpunkt meiner Forschung ist das naturwissenschaftliche Denken und Arbeiten, also die Methoden und Strategie, die in den Naturwissenschaften genutzt werden, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dazu gehören z. B. das Beobachten und Experimentieren, das Auswerten und Interpretieren von Daten oder das kritische Überprüfen von Methoden und Schlussfolgerungen. In unseren Forschungsarbeiten untersuchen wir unter anderem, wie Lernangebote aussehen, die Schülerinnen und Schüler beim Aufbau solcher Kompetenzen effektiv fördern und wie Lehrkräfte dabei unterstützt werden können, solche Lernangebote zu gestalten.
Mich interessiert dieser Forschungsgegenstand besonders, weil die Fähigkeit und Bereitschaft durch eine „naturwissenschaftliche Brille“ auf die Welt zu schauen und sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen, sowohl bei den kleinen Fragen des Alltags als auch für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit sehr hilfreich sind. Ich finde es toll, dass wir durch unsere Arbeit ein Stück weit dazu beitragen können, Lernende auf diese kleinen und großen Herausforderungen vorzubereiten
3. Was sind die aktuell wichtigen Themenbereiche in Ihrer Forschung? Wie haben sich diese in den letzten Jahren verändert und haben Sie eine Idee, wie sich diese in den nächsten zwei Jahren verändern werden?
Wir haben uns in den letzten Jahren vor allem mit Denk- und Arbeitsweisen beschäftigt, die es braucht, um Versuche und Experimente zu planen, durchzuführen oder zu bewerten. Vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Bedeutungen von Daten und insbesondere von großen Datenmengen – Stichwort „Big Data“ – sowie den Möglichkeiten, solche Daten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz auszuwerten, werden Kompetenzen zum Umgang mit Daten und zur kritischen Auseinandersetzung mit den aus ihnen (z. T. automatisiert) gezogenen Schlussfolgerungen verstärkt in den Fokus rücken. Künstliche Intelligenz wird dabei nicht nur die Inhalte beeinflussen, mit denen wir uns befassen, sondern auch das Spektrum der Methoden erweitern, die uns in der Forschung zur Verfügung stehen. Es wird spannend, diese Möglichkeiten auszuloten.
4. Wie sind Sie dazu gekommen, Professor zu werden und warum an der TUM?
Die ehrliche Antwort ist wohl: „Das hat sich so ergeben…“. Ich habe Lehramt für Mathematik und Physik studiert, weil ich große Freude daran habe, junge Menschen bei Ihrer Entwicklung zu begleiten und zu fördern. Mir hat das Studium viel Spaß gemacht und ich habe das auch meisten ganz gut hinbekommen. Ich bin dann von der Professorin für Physikdidaktik – meiner späteren Doktormutter – am Ende des Studiums gefragt worden, ob ich mir vorstellen könnte, zu promovieren. Ich dachte mir, warum nicht? Dass ich dann nach der Promotion nicht in die Schule gegangen bin, sondern meine erste Professur angetreten habe, lag zum einen daran, dass mir das Forschen großen Spaß gemacht hat und die Hochschule mir die Möglichkeit bot, meine beiden professionellen Interessen – Lehren und Forschen – gleichzeitig nachzugehen. Zum anderen war hier aber auch ein bisschen Glück im Spiel, denn es gibt nur eine vergleichsweise kleine Zahl von Lehrstühlen für Physikdidaktik in Deutschland (ca. 50 hat mein Kollegen Horst Schecker kürzlich gezählt) und in Gießen wurde kurz nachdem ich meine Promotion abgeschlossen hatte einer davon ausgeschrieben. Der Wechsel an die TUM hatte mehrere Gründe. Zum einen war meine Stelle in Gießen befristet, zum anderen musste ich meine akademische Heimat aber auch deshalb einmal verlassen, um mich Weiterzuentwickeln, neue Impulse zu bekommen und neue Kontakte zu knüpfen. Die TUM erschien mir dafür eine super Adresse zu sein. Es gab dort nicht nur mit der School of Education eine eigenständige Fakultät für Bildungsforschung (jetzt das Department Educational Sciences), sondern auch eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die spannende Forschung betreiben und mit denen ich gerne zusammenarbeiten wollte. Zudem hatte ich schon damals mit meiner Frau die Vereinbarung, dass ich mich nur an Standorten bewerbe, die ihr ebenfalls gute berufliche Möglichkeiten bieten. München gehörte da zum Glück dazu.
5. Was kann ein Studium heute leisten und warum sollten Menschen bei Ihnen studieren?
Die letzten Jahre haben eindrücklich gezeigt, dass sich die Aufgaben von und Anforderungen an Lehrkräfte schon auf kurzen Zeitskalen rasant verändern können. Im Studium können sich angehende Lehrkräfte im besten Fall einen gut sortierten Werkzeugkasten aufbauen, der es ihnen ermöglicht, neue Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven zu analysieren, Handlungsalternativen fundiert abzuwägen, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen und sich selbst weiterzuentwickeln. Jenseits des Aufbaus solcher Werkzeuge kann ein Studium dazu beitragen, dass angehende Lehrkräfte ein professionelles Selbstverständnis und eine positive und wertschätzende Haltung gegenüber Wissenschaft entwickeln.
Und warum man bei uns studieren sollte? Zum einen, weil wir gut ausgebildete Physiklehrkräfte in Bayern dringend brauchen! Zum anderen, weil wir unsere Lernangebot konsequent lernendenorientiert anlegen: Klassische Vorlesungen gibt es in der Physikdidaktik nicht. In unseren Lehrveranstaltungen werden Studierende selbst aktiv, können typische Unterrichtsmethoden ausprobieren, arbeiten und diskutieren regelmäßig mit anderen zusammen und können die Veranstaltungen so selbst mitgestalten. Es ist mir wichtig, dass sich Studierende bei uns einerseits fachdidaktischer Theorie und Empirie auseinandersetzen, sie andererseits aber auch lernen, diese zur Analyse und Gestaltung konkreter Lehr- und Lernsituationen einzusetzen.
6. Von wem haben Sie in Ihrem Leben am meisten gelernt?
Das kommt stark darauf an, an welchen „Lernbereich“ man denkt. Bezogen auf mein akademisches Leben auf jeden Fall von meiner Doktormutter Prof. Claudia von Aufschnaiter.
7. Gibt es etwas, was Sie schon immer mal ausprobieren wollten und wozu Sie noch nicht gekommen sind? Wenn ja, woran lag es, dass Sie noch nicht dazu gekommen sind?
Oh, da gibt es Vieles und ich frage mich, ob man überhaupt jemals den Punkt erreichen kann (oder erreichen wollen sollte), an dem es nichts mehr gibt, was man noch ausprobieren möchte. Eine konkrete und eher kleine Sache ist „Virtual Reality“. Obwohl das eigentlich im Jahr 2024 schon fast ein alter Hut ist, habe ich das selbst noch nie ausprobiert. Die Erfahrung würde mich aber persönlich und professionell sehr interessieren. Warum das noch nicht geklappt hat? Keine Ahnung.
8. Mit welchem Satz würde Ihre Biografie beginnen?
„Der Tag seiner Geburt war ein Sonntag und dem Prädikat Sonntagskind hat er Zeit seines Lebens alle Ehre gemacht“
9. Wie könnte Ihr Alltag ohne Arbeit aussehen?
Ich glaube, ich könnte meine Zeit ganz gut mit Sport, Kochen, Gartenarbeit und gemeinsamen Aktivitäten mit Familie und Freunden füllen. Es gibt außerdem eine Reihe von Dingen, die ich gerne lernen (z. B. ein Instrument zu spielen) oder besser können würde (z. B. Gärtnern und Kochen…). In einem Alltag ohne Arbeit würde „Lernen“ also sicher immer noch eine Rolle spielen.
10. Gibt es einen Gegenstand, den Sie in Ihrem Leben nicht missen möchten? Wenn ja, welchen und warum?
Eigentlich nicht. Höchstens vielleicht mein Smartphone, aber das ist Fluch und Segen zu gleich. Einerseits ermöglicht es mir, zu fotografieren, Musik und Geschichten zu hören, mit lieben Menschen in Kontakt zu bleiben und viele andere Dinge zu tun, die mein Leben sehr bereichern. Andererseits sind die ständige Erreichbarkeit und die vielfältigen Möglichkeiten, sich vom Wesentlichen ablenken zu lassen, schon auch eine Herausforderung. Trotz dieser Herausforderungen, misse möchte ich es nicht mehr.
11. Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum können Sie es empfehlen?
Schwierige Frage, ich lese vor allem Sachbücher (da ist es nahezu unmöglich, einen „Liebling“ zu wählen) und höre viel und gerne Podcast. Einer meiner Lieblingsromane, den ich fast jedem empfehlen würde, ist „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann. Das Buch verbindet Einblicken in historische Begebenheiten und das Leben und Denken von zwei extrem spannenden Persönlichkeiten (Gauß und Humboldt) mit ausgesprochen unterhaltsamen Fiktionen – aus meiner Sicht einmalig und absolut lesenswert!